Praktiken des Trinkens in Schülervereinen der Küsnachter Seminaristen zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Überlegungen zum Fokus auf Praktiken als Möglichkeit einer radikalen Historisierung
Main Author: | De Vincenti, Andrea |
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Format: | Book publication-section Journal |
Bahasa: | deu |
Terbitan: |
transcript
, 2020
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Subjects: | |
Online Access: |
https://zenodo.org/record/4046372 |
Daftar Isi:
- Beitrag im Sammelband «Praxeologie in der Historischen Bildungsforschung: Möglichkeiten und Grenzen eines Forschungsansatzes» 10.5281/zenodo.4045831. Als die Seminargemeinschaft gefährdend wurde die im Beitrag von Andrea De Vincenti fokussierte »Fidelitas«, eine abstinente Vereinigung von Zöglingen am Kantonalen Lehrerseminar Küsnacht, angesehen, während andere Zöglingsvereinigungen am Seminar nicht nur gebilligt, sondern gar breite Unterstützung durch Lehrerkonvent und Direktor erfuhren. Ausgehend von der Feststellung, dass Praktiken des Trinkens von Alkohol im Turnverein gebilligt, in der »Fidelitas« aber umgehend sanktioniert wurden und letztlich zu ihrer Auflösung führten, fragt die Autorin nach den jeweiligen Trinkpraktiken und den Gründen für die zwei so unterschiedlichen Umgangsweisen der Seminarleitung mit diesen Praktiken, respektive mit den sie praktizierenden Vereinen. Mit einer durch unterschiedliche Quellengattungen gegebenen mehrperspektivischen Auswertung der Praktiken des Trinkens im sanktionierten Verein sowie des Umgangs mit dem Verein und der Vereinszugehörigkeit einzelner Zöglinge des Seminars arbeitet De Vincenti die spezifischen Sinn- und Bedeutungsstrukturen der auf den ersten Blick mit dem anderen Verein überlappenden Trinkpraktiken heraus. Obwohl in beiden Vereinen das Trinken als gesellige Praxis etabliert und fest verankert war, können die jeweils unterschiedlichen sinnhaften Codierungen Aufschlüsse darüber geben, weshalb das Trinken einmal als legitim, einmal aber als Grund für harsche Sanktionen erschien. Anhand von theoretischen Überlegungen zu Praktiken, die eng auf das Fallbeispiel bezogen werden, plausibilisiert der Beitrag schliesslich die These, dass es keine Praktik des Trinkens per se geben könne, sondern jede Praktik stets nur in ihrem spezifischen Kontext, das heisst unter Berücksichtigung der stets orts- und zeitspezifischen Sinn- und Bedeutungsstrukturen, zu verstehen sei – auch wenn sie vordergründig, also auf der wahrnehmbaren körperlich-materialen Ebene, vielleicht identisch mit anderen erscheint. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen sieht die Autorin in einer praxeologischen Perspektive die Möglichkeit einer radikalen Historisierung: Praktiken seien erst durch eine möglichst vielperspektivische Kontextualisierung in ihrer »Doppelstruktur« (Reckwitz) von einerseits direkt wahrnehmbaren Bewegungen und Äusserungen und andererseits darin codierten Wissens- und Bedeutungsstrukturen zu erfassen, sodass Letztere immer auf den konkreten historischen Fall verwiesen.
- +repphzhbib2020F